Neue Heimat

Interview mit den Compagnietänzern Maya Tenzer und Ka Chun Hui
Seit August leben und arbeiten die Tänzerinnen und Tänzer der neuen Compagnie in Würzburg. Derzeit proben sie für den Tanzabend „Muttersprache“, der am 13. April im Großen Haus Premiere feiert. Ein guter Zeitpunkt, um mit zwei Compagniemitgliedern über die Produktion und ihr neues Leben in Deutschland zu sprechen.

DÖRTE KORDZUMDIEKE: Wo seid ihr aufgewachsen, und welche Sprachen sprecht ihr?

KA CHUN HUI: Ich stamme aus Hong Kong. Meine Muttersprache ist also Kantonesisch. Außerdem spreche ich Mandarin-Chinesisch und Englisch, beides lernen wir von klein auf in der Schule.

MAYA TENZER: Ich bin in New Haven, Connecticut, in den Vereinigten Staaten geboren, aber schon mit zwei Jahren mit meiner Familie nach Vancouver, Kanada, gezogen. Als Jugendliche habe ich zwei Jahre in Frankreich gewohnt. Ich spreche daher Englisch und Französisch. Und jetzt lerne ich natürlich Deutsch.

DÖRTE KORDZUMDIEKE: Ihr seid extra für dieses Engagement nach Würzburg gezogen und habt Freunde und Familie auf einem anderen Kontinent zurückgelassen. Wie war die Eingewöhnungsphase hier?

MAYA TENZER: Es war mein Traum, ein festes Engagement in Deutschland zu finden. Deshalb habe ich mich sehr darüber gefreut, Kanada zu verlassen. Obwohl ich manchmal Heimweh habe, glaube ich daran, dass dieses Theater der Ort ist, an dem ich gerade sein sollte.

KA CHUN HUI: Ich muss mich noch etwas an die Sprache und die Arbeitsweisen hier gewöhnen. Aber weil alle sehr freundlich und hilfsbereit sind, war der Umzug bisher problemlos. Mit meiner Familie halte ich Kontakt über das Internet.

DÖRTE KORDZUMDIEKE: Zurzeit arbeitet ihr am Stück „Muttersprache“. Wie war der Entstehungsprozess bisher für euch?

MAYA TENZER: Es ist das erste Stück, bei dem wir wirklich Zeit hatten, den Prozess zu genießen, und dafür bin ich sehr dankbar. Im Stück finden sich viele persönliche Geschichten wieder. Das ist toll, weil ich so das Gefühl habe, ich kann auf der Bühne ganz ich selbst sein.

KA CHUN HUI: Das Stück hat auch Einfluss auf unser tägliches Miteinander in der Compagnie. Wir sind uns der Kulturen untereinander mehr bewusst, wollen mehr über die anderen herausfinden und reflektieren zugleich über unsere eigene Heimat und Muttersprache.

DÖRTE KORDZUMDIEKE: In „Muttersprache“ geht es auch um eine Auseinandersetzung mit dem Begriff Heimat. Was bedeutet Heimat für euch?

KA CHUN HUI: Für mich ist Heimat dort, wo ich mich geborgen fühle, geliebt, ausgeruht und stressfrei. Dafür brauche ich Menschen um mich, die mir nahe sind.

MAYA TENZER: Ich glaube, mein Körper ist meine Heimat. Und das ist ein Glück, denn als Tänzerin zieht man oft um. Aber natürlich fühle auch ich mich dort besonders wohl, wo ich mich den Leuten verbunden fühle, lachen kann und geliebt werde.

DÖRTE KORDZUMDIEKE: Welches Wort deiner Muttersprache sollte jeder Mensch kennen?

MAYA TENZER: In meiner Muttersprache habe ich kein Lieblingswort. Aber auf Deutsch gefällt mir besonders das Wort „Augenblick”. Das Wort kommt in einem Lied in Muttersprache vor. Ich mag seine wörtliche Bedeutung, und ich kann es ziemlich problemlos aussprechen!

KA CHUN HUI: Ich mag das traditionelle chinesische Schriftzeichen für Liebe 愛 , weil es das Wort 心 für Herz in seiner Mitte trägt.

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