Wer spricht, kriegt Licht

In der Reihe WER SPRICHT, KRIEGT LICHT kommen Produktionsbeteiligte zu Wort – oder auch nicht.

Den Anfang macht Operndirektor Berthold Warnecke. Für die Kinderoper "Siegfried, der kleine Drachentöter" hat er das Libretto verfasst...
Was hast du zu Beginn der Textarbeit zu "Siegfried, der kleine Drachentöter" gedacht?
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Uff! So viel Arbeit, ausgerechnet zwischen "Ariadne auf Naxos“ und der "Götterdämmerung“. Aber der zweite Gedanke war gleich: Wie wunderbar! 
Was hast du zum Ende der Textarbeit zu "Siegfried, der kleine Drachentöter" gedacht?
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Yeah! Geschafft! Etwa vier Wochen vor der Uraufführung gab es den ersten Komplettdurchlauf unseres "kleinen Siegfrieds“, da konnte ich das Stück mit Klavierbegleitung und unseren Sängern Silke Evers und Taiyu Uchiyama zum ersten Mal richtig hören. Sozusagen eine inoffizielle kleine Welturaufführung. Danach war ich natürlich immer noch aufgeregt, wie und ob es auf der Bühne wirklich funktioniert. Aber es gab ja, Gott sei Dank, eine Patenklasse, die schon vor der Premiere kritisch zugehört und zugeschaut hat. Alles in allem, gerade in der Zusammenarbeit mit dem Komponisten Adrian Sieber, war das mal wieder eine super Zeit.
Was würdest du tun, wenn du den Nibelungenschatz finden würdest?
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Auf jeden Fall Abstand halten! Es gibt ja immer noch Menschen, die nach dem Schatz tatsächlich suchen. Im Nibelungenlied findet sich eine Verszeile mit einem Hinweis, an welcher Stelle Hagen von Tronje den Schatz im Fluss versenkt hat, da haben sogar schon groß angelegte Grabungsaktionen stattgefunden. Also, wer weiß? Die Faszination ist auf jeden Fall da – und die Gefahr auch!

Ich hoffe, ich wäre genügend bei Sinnen, um ihn an besserer Stelle wieder zu verstecken. Ok, und vielleicht würde ich mir einen kleinen Teil für das private Auskommen abzwacken ...
Wie tötet man einen Drachen?
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Am besten gar nicht. Dieses "Drachentöten“ ist die vielleicht berühmteste mythische Situation der germanischen Sagenwelt. Sie wird im Nibelungenlied nur kurz erwähnt, aber in der Lieder-Edda findet sich eine etwas genauere Beschreibung. Eigentlich ist es eine total feige Tat: Siegfried buddelt eine Grube, in die er sich mit dem Schwert legt, und sobald der Drache dann darüber rutscht, sticht er ihm von unten das Schwert mitten ins Herz. Ziemlich feige für einen Helden!

Unser kleiner Siegfried heißt zwar "Siegfried, der kleine Drachentöter“, weil er von dieser Sagenwelt fasziniert ist, aber er ist auch viel klüger als sein großes Vorbild …
Hast du vor der Kinderoper schon einmal ein Libretto geschrieben?
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Nein, ein Libretto habe ich noch nicht geschrieben. Allerdings war mir das Metier nicht ganz fremd, denn ich habe schon mehrere Opern übersetzt: zwei oder drei Barockopern und eine zeitgenössische Oper des italienischen Komponisten Azio Corghi. Und dann habe ich zwei, drei Revuen für unseren "Ariadne“-Regisseur Dominique Horwitz geschrieben. Aber eben noch kein wirkliches Opernlibretto. 

Das war eine ganz neue und tolle Erfahrung, weil es nach meinem Empfinden auch eine bestimmte Sprache braucht. Es eignen sich zum Beispiel nicht alle Wörter des Alltags, um sie in eine Opernsprache zu bringen, auch wenn etwas ganz Alltägliches beschreiben wird. Es war eine reizvolle Aufgabe, sich an diese teilweise poetische Sprache heranzuwagen. Wir haben einige Textstellen paraphrasiert, etwa aus dem Nibelungenlied oder aus anderen dieser Quellen, aber anderes dann auch ganz modern und heutig formuliert. Alles vor dem Hintergrund von Versmaß, von Puls, von Rhythmus für die Musik.
Was war das Schwierigste an der Textarbeit?
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Das Schwierigste für mich war es tatsächlich, das richtige Sprachniveau zu finden. Dann gibt es, vor allem in der Korrekturphase, rein technische Aspekte, etwa wenn helle Vokale auf unbequemen hohen Tönen zu singen wären. Das versucht man möglichst zu vermeiden. Grundsätzlich ist es wichtig, dass die Sprache einem musikalischen Fluss folgt. Gerade bei in sich geschlossenen Formen, zum Beispiel in Arienszenen, muss die Sprache einen Rhythmus, ein Versmaß durchhalten. Damit das über mehrere Zeilen hinweg stimmt, muss man sich ständig fragen: Wo sind Wortakzente? Wo sind die Hebungen und Senkungen? Sonst holpert später die musikalische Umsetzung, wenn plötzlich ein Auftakt in der einen Zeile vollkommen anders ist als in der vorherigen oder der nachfolgenden oder aus Nachlässigkeit ganz unter den Tisch gefallen ist. Da muss man also ein bisschen in der Spur bleiben und sich an den vorgegebenen beziehungsweise gewählten Vers und Rhythmus halten. Das war nicht immer leicht, war aber auch eine wunderschöne Aufgabe.

Schließlich musste ich mir immer wieder bewusst machen, dass wir eine Kinderoper schreiben wollten, die einerseits kindgerecht, andererseits aber nicht kindisch wird. Dass im Idealfall also auch Erwachsene Spaß an der Sprache haben können, so wie es bei den ganz großen Meisterwerken ist. Sagen wir mal: Die "Zauberflöte“ ist natürlich eine Oper, die Mozart nie für Kinder geschrieben hat, und trotzdem können auch Kinder dieser Geschichte folgen. Das war die größte Herausforderung.
Was hat besonders viel Spaß gemacht?
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Spaß gemacht hat es, als ich unter die sechste Szene schreiben konnte: "Vorhang. Ende“.

Aber auch sonst hat die Zusammenarbeit mit Adrian Sieber natürlich großen Spaß gemacht. Es war nach einer Revue über Martin Luther, die ich für Dominique Horwitz geschrieben habe, jetzt die zweite Produktion mit Adrian als Komponisten. Er ist zum Glück auch durch und durch ein Theatermensch, und das heißt, wir sind auf einer Wellenlänge.
Wie war die Zusammenarbeit im Team?
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Mit Adrian war sie sehr eng, wir haben vor allem viel miteinander telefoniert: er in München, ich in Würzburg. Diese direkte Zusammenarbeit hat viel Spaß gemacht. Dann natürlich der Auftakt zu den Proben, wenn alles langsam lebendig wird. Es ist nicht wie sonst, wenn man eine fertige Oper produziert: Dann bestellt man eine Partitur oder einen Klavierauszug beim Verlag und beginnt mit der Umsetzung. Jetzt kommt eben auch der ganze Apparat davor mit allem dazu, was dran hängt. Wir haben unseren "Siegfried“ ja auch nicht für ein anderes Theater, sondern für unser eigenes Haus geschrieben, ganz gezielt für die Kammerspiele.

Das war letztlich sogar der eigentliche Anlass, warum wir überhaupt eine Uraufführung gemacht haben. Es ist so schwierig, für diesen Raum, der so klein ist, überhaupt passende Stücke zu finden, obwohl es mittlerweile eine große Fülle an Literatur und Repertoire für Musiktheater für Kinder gibt. Aber meist benötigt man zu viele Sänger – man denke an einen Titel wie "Schneewittchen und die sieben Zwerge“, da brauche ich ja mindestens schon einmal acht Leute, und dann wäre die Bühne der Kammer voll –, oder man braucht ein größeres Orchester, mindestens ein Kammerorchester dazu, und das sprengt ebenfalls die Möglichkeiten des Raumes. Jetzt hatten wir es natürlich selbst in der Hand und haben uns gesagt: Okay, damit es einen gewissen Reiz hat, auch hinsichtlich der Klanglichkeit dessen, was man machen kann, haben wir ganz spezifisch diese vier Instrumente (Horn, Harfe, Kontrabass, Akkordeon) ausgesucht, dazu zwei Akteure. Das ist perfekt für unsere kleine Bühne.
Woran erkennt man einen Operndirektor?
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Den Operndirektor im Mainfranken Theater, der natürlich der Prototyp des Operndirektors ist, erkennt man erst mal am gelben Büro. Dann an seiner Brille. Woran man ihn tatsächlich erkennt, das wäre auch die Frage der Fremd- oder Selbstwahrnehmung. Also woran die andern mich erkennen, das kann ich nur schwer sagen. Wahrscheinlich daran, dass ich in schlechter Sitzhaltung hinterm Schreibtisch versinke.

Für mich selber ist diese Position ein großes Geschenk. Das Schöne an der Arbeit als Operndirektor ist, ich kann maßgeblich den Spielplan und die Teams prägen. Die Handschrift, wie wir unsere Opern umsetzen, wird von mir dadurch auch ein Stück weit mit vorgegeben, aber natürlich immer in Diskussion mit Markus Trabusch und Enrico Calesso. Auf jeden Fall kann ich gestalten, und das bedeutet für mich, glaube ich, dass ich in der Regel ziemlich gut gelaunt ins Haus komme und auch wirklich eine große Lust habe, Dinge für die Oper zu vermitteln und weiterzugeben, auch bei den Einführungen. 

Das ist meines Erachtens das größte Problem der Oper und im weitesten Sinne von klassischer Musik heutzutage. Wir Deutschen haben eine besondere Gabe, es immer so kompliziert zu machen. Wenn man sich mit der sogenannten klassischen Musik beschäftigt oder jemanden daran heranführen will, hat man immer das Gefühl, dass man zuerst eine Gebrauchsanweisung braucht. Man darf es nicht einfach nur machen, weil es total Spaß macht. Also anders als beim Fußballspielen. Keiner schenkt seinem Kind einen Fußball, um dann zu erstmal zu sagen: So geht die Abseitsregel, und Rückspiel zum Torwart gibt einen indirekten Freistoß und eine gelbe Karte. Sondern man nimmt den Ball, und es wird gekickt, egal nach welchen Regeln. Und genauso, finde ich, muss man eigentlich den Zugang zu Musik und Theater für Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene gestalten. Entweder die Sache macht im besten Sinne Freude, macht Spaß, turnt einen an, und dann ist es super, oder sie schafft es eben nicht. Und mich hat sie irgendwie immer angefixt, ganz von alleine, und das versuche ich weiterzugeben. Vielleicht erkennt man mich daran!

Kommentare

6.4.2019 09:42 | Ruth Braun-Spiehl
Sehr geehrte Damen und Herren,
gestern, 5.4.19, besuchten wir die Aufführung "Ariadne auf Naxos". Wir waren begeistert von den hervorragenden Leistungen der Sängerinnen Ilia Papandreou, Akiho Tsujii, Marzia Marzo und Silke Evers und des Sängers Daniel Magdal in der Rolle des Bacchus. Die sehr anspruchsvollen Partien wurden musikalisch und schauspielerisch absolut überzeugend gestaltet. Begeistert hat uns auch das Orchester wieder in dieser Richard Strauss Oper, wie schon in Salome. Ebenso haben uns das "doppelte Bühnenbild" sowie die Lichtgestaltung sehr gut gefallen. Nicht so ganz angetan war ich dagegen von den Kostümen der Nymphen, aber das nur ganz nebenbei. Vielen Dank für einen sehr genussvollen und inspirierenden Abend! Ruth Braun-Spiehl

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