Premiere Schauspiel

„INSHALLAH, ES GEHT VORAN“

Nimrod Danishman über eigene Erfahrungen und Sehnsuchtsorte
Am 6. November feiert Grenzen des israelischen Theatermachers Nimrod Danishman Premiere. Das Stück thematisiert die Beziehung zweier Männer, die sich online kennenlernen. Die Grenze zwischen Israel und dem Libanon macht es ihnen jedoch unmöglich, spontan zueinander zu kommen. Dramaturgin Philine Bamberger hat mit dem Autor über sein Stück gesprochen.
Cedric von Borries und Anselm Müllerschön bei den Proben zu Grenzen | Foto: Nik Schölzel

GRENZEN LIEST SICH WIE EIN SEHR PERSÖNLICHES STÜCK. HABEN SIE BEIM SCHREIBEN EIGENE ERFAHRUNGEN VERARBEITET?
Grenzen beruht auf einer wahren Geschichte, die mir passiert ist. Ich habe auf Grindr mit einem Libanesen geschrieben und war fasziniert von der Möglichkeit, jemanden kennenzulernen, der in einem in Israel als feindlich geltenden Land lebt. Mir ist nicht dasselbe wie Boaz passiert. Aber ja, die Dialoge basieren auf wirklichen Erfahrungen, auf Leidenschaft und auf sehr viel Vorstellungsvermögen. Ich glaube, in der Figur Boaz ist viel von mir zu finden, und um ehrlich zu sein, auch in Georges. Es sind zwei Seiten meiner Persönlichkeit.
Ich glaube, in der Figur Boaz ist viel von mir zu finden, und um ehrlich zu sein, auch in Georges. Es sind zwei Seiten meiner Persönlichkeit.
Nimrod Danishman, Autor von "Grenzen"
IM STÜCK FUNGIERT BERLIN ALS SEHNSUCHTSORT DER BEIDEN JUNGEN MÄNNER. EINE GEWISSE PARALLELE GIBT ES JA – DIE BERLINER MAUER TRENNTE WESTBERLIN UND DIE DDR. HAT DAS BEI DER WAHL DES ORTES EINE ROLLE GESPIELT?
Berlin ist ein Sehnsuchtsort für viele Israelis und Menschen aus anderen Ländern des Nahen Ostens. Es ist günstig im Vergleich zu Tel Aviv, eine internationale, europäische Kulturhauptstadt, die viele anzieht. In Grenzen ist Berlin ein Zufluchtsort für zwei Menschen, die sich in ihrer Heimat nicht treffen können – also kreieren sie einen Ort, an dem das geht. Ich habe beim Schreiben nicht an die Berliner Mauer gedacht, aber ihr Fall ist für mich ein Symbol für das Bedürfnis der Menschen, die durch physische oder imaginierte Grenzen getrennt sind, zueinander kommen zu können. Berlin symbolisiert in meinen Augen Hoffnung. Entschuldigung, wenn ich jetzt schon den Holocaust anspreche, aber ich denke, dass wenn Israelis sich heutzutage so wohl in Deutschland fühlen, dann kann wahrscheinlich jeder Konflikt letztendlich gelöst werden. Wenn ich über Israels Beziehungen zu seinen Nachbarländern nachdenke, besonders über das Verhältnis von Juden und Palästinensern, dann empfinde ich Berlin als Inspiration.

WAS IST IHR SEHNSUCHTSORT?
Eine lange Zeit wollte ich nach Europa auswandern. Ich hatte einen Partner in Italien und dachte, ich würde mit ihm zusammenziehen, oder wir gemeinsam nach Berlin. Aber dem war nicht so. Jeder Ort hat seine eigenen Probleme und Konflikte. Und seitdem mir das klar geworden ist, ziehe ich meine Konflikte in meiner eigenen Sprache vor. Ich möchte Dinge für meine Landsleute kreieren, die meine Sprache sprechen, die meine Konflikte als Israeli teilen. Seit einiger Zeit ist Tel Aviv mein Favorit und ich fühle mich hier sehr wohl.
Ich möchte Dinge für meine Landsleute kreieren, die meine Sprache sprechen, die meine Konflikte als Israeli teilen.
Nimrod Danishman, Autor von "Grenzen"
WIE ERLEBEN SIE DIE AKTUELLE SITUATION IN ISRAEL FÜR QUEERE MENSCHEN?
Tel Aviv ist eine der LGBT-Hochburgen dieser Welt. In Israel ist die LGBT-Kultur sehr fortschrittlich, obwohl es einen großen Unterschied gibt zwischen dem Zentrum des Landes und den Außenbezirken. Ich bin in Haifa aufgewachsen und habe mich dort sehr behütet und selbstbewusst in meiner LGBT-Identität gefühlt. Das Gesetz ist immer noch ungleich. Ich darf nicht heiraten, keine Kinder aufziehen, und es gibt weitere Ungleichheiten, an denen gearbeitet werden muss. Aber inshallah, es geht voran.

PREMIERE Samstag, 6.11. | 20:00 Uhr | Keller Z87 Frankfurter Str. 87, 97082 Würzburg Straßenbahn-Haltestelle: Bürgerbräu
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