Bis unter die Haut

Dominique Dumais’ Tanzabend NAKED im Großen Haus
In einer Neubearbeitung für die Würzburger Tanzcompagnie kehrt mit „NAKED“ am 31. Januar ein weiteres Erfolgsstück von Dominique Dumais auf die große Bühne des Mainfranken Theaters zurück. Ursprünglich als letzter Teil einer Trilogie für das Nationaltheater Mannheim choreografiert, sucht Dominique Dumais darin mit ihren Tänzerinnen und Tänzern nach Natürlichkeit und Authentizität.
NAKED“ steht für das Bloßlegen der Bewegung bis unter die Haut. Die Grundlage des Stücks bildet die Wahrnehmung der jeweiligen Besonderheiten einzelner Körper in ihrer Ganzheitlichkeit, die individuelle Dynamik und die einzigartigen Charakterzüge der Tänzerinnen und Tänzer. „Es geht nicht um Nacktheit im Sinne von Ausziehen, sondern viel weiter, sozusagen bis unter die Haut. Wie natürlich und wie kulturell sind wir dabei? Wie können wir Überflüssiges abstreifen, wie authentisch können wir sein? Wie nackt kann ein Tänzer seinem Publikum gegenübertreten? „NAKED“ steht dafür, wie verletzlich wir sein können, wie bloß, aber auch wie ehrlich,“ erklärt Dominique Dumais. „NAKED“ handelt also auch vom Mut, die unverfälschte Wirklichkeit zu zeigen, und steht damit im Gegensatz zur gesellschaftlichen Tendenz, ein Leben in Hochglanz führen zu wollen und die imperfekte körperliche Wirklichkeit zu beschönigen, zu verdecken oder zu verändern.
HAUT UND KNOCHEN
Als Metapher für die gesuchte Authentizität dient die Haut als das Organ, das Innen und Außen miteinander verbindet. „Es ging mir darum, das Gefühl zu erkunden, wie etwas durch die Haut von innen nach außen dringt, wie wir sie gewissermaßen dehnen oder zusammenziehen, oder wie wir etwas von außen aufnehmen.“ Überhaupt interessiert sich Dominique Dumais sehr für Anatomie und lässt sich davon auch in ihren Choreografien inspirieren, besonders seit sie den Bewegungstrainer Frey Faust kennengelernt hat: „In meinem Schaffen orientiere ich mich oft an der Natur, wo Kurven und Spiralen praktisch überall vorkommen, zum Beispiel in der geschwungenen Form von Knochen und Muskeln. Seit ich mit Frey Faust arbeite, habe ich mich sehr viel mit Anatomie befasst. In den natürlichen Strukturen finde ich eine Stimmigkeit und Harmonie, sogar Poesie, die man tänzerisch aufgreifen und ausgestalten kann. Je besser ich mein Instrument, den Körper, kenne, desto tiefer kann ich in der Arbeit gehen – und das finde ich inspirierend.“ Es ist ein Tanz ohne Hilfsmittel – pur und fließend. Die Bewegungen beginnen in einem Teil des Körpers und wandern dann zu einem anderen. Sie vollziehen sich in Kreisen und Spiralen; in Soli und Duetten, die durch präzise Arbeit und elegante Bewegungen überzeugen. Sie kommen ohne den Effekt aus und gehen doch unter die Haut.
HAUT UND HÜLLEN
Auch der Bühnenraum in der Ausstattung von Tatyana van Walsum verdeutlicht die Idee der Nacktheit. Wie bereits in „Muttersprache“  in der vergangenen Spielzeit zu sehen, bestechen van Walsums Entwürfe durch ihre Schlichtheit und Eleganz, die dennoch unzählige Möglichkeiten bieten, den Bühnenraum immer wieder zu verändern und das Bühnenbild selbst in Bewegung zu versetzen. Hängen zunächst opake Vorhänge fast bis zum Bühnenrand und verdecken einen Großteil des Bühnenraums, fallen die Hüllen nach und nach und geben den Blick frei auf immer neue Räume, Durchgänge oder Szenen, in denen die Tanzcompagnie auftreten und verschwinden kann.
KLANGKOSMOS
Neben dem Tanzensemble steht in „NAKED“ die Cellistin Julia Kent auf der Bühne und erfüllt den Raum mit dem Klang ihrer eigenen Kompositionen, die den Abend antreiben und zusammenhalten. Bereits in „Chansons“ und „Ludwigs Leidenschaften“ wurde deutlich, welche wichtige Rolle Musik für die Kreationen von Dominique Dumais spielt. In „NAKED“ bildet sie die Grundlage, vor der sich Emotionen und Stimmungen aufbauen. Kents Musik ist voller kleiner Geschichten, die von den Tänzerinnen und Tänzern des Ensembles in Soli, Duetten und Gruppensequenzen aufgegriffen und weitererzählt werden. Und so urteilte die Frankfurter Rundschau anlässlich der Uraufführung 2016 am Nationaltheater Mannheim: „‘NAKED‘ ist ein ohne Scheu schönes Stück, es ist nicht [...] kitschig, vielmehr elegant in seiner formalen Geschlossenheit.“
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