Extrem spannend

Die Opernsparte wartet 21/22 mit sieben Premieren und einer Wiederaufnahme auf
Über vier Jahrhunderte spannt sich der thematische Bogen der Opernsaison 21/22 am Mainfranken Theater Würzburg. Mit großer Vorfreude blicken Ensemble und Gäste auf die vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen. Arnold Schönbergs Drama mit Musik "Die glückliche Hand" und Giacomo Puccinis "Gianni Schicchi" markieren als Doppelabend gleich zum Saisonauftakt jenen Riss durch die Welt, der die vermeintlich gute alte Zeit von der schonungslosen Radikalität der Gegenwart unwiederbringlich trennen sollte.

Künstlerisches Drama versus Familienkomödie

„In Gianni Schicchi ist meine Hauptintention, das Ensemble zu führen und die heuchlerischen Charaktere mit unerschütterlicher Aufrichtigkeit zu interpretieren. Mit einem Wort: ehrlich zu lügen, glaubhaft zu heucheln, authentisch zu täuschen“, so der französische Regisseur Benjamin Prins zu seinem Angang an Puccinis beißende Komödie über das Geschacher der Familie Buoso Donatis um dessen Erbe. Für Generalmusikdirektor Enrico Calesso ist es „extrem spannend, Puccinis 1918 uraufgeführtes Meisterwerk durch die Brille von Schönbergs kurz zuvor entstandenem Künstlerdrama zu beleuchten. Genau darin liegt für mich der besondere Reiz: Puccini als großem Komponisten des 20. Jahrhunderts gerecht zu werden und die Moderne in seinen Partituren neu zu entdecken. Außerdem freue ich mich sehr, Eberhard Klokes schillernde Kammermusikfassung von Schönbergs Glücklicher Hand zur Uraufführung zu bringen.“ Held des Doppelabends ist Bariton Kosma Ranuer, der sowohl dem Protagonisten der Glücklichen Hand als auch dem schon von Dante Alighieri in die Hölle verbannten Giannci Schicchi Gestalt und Stimme(n) geben wird.
Kostümfiguren zu Bellinis Oper "Die Capulets und die Montagues" von Julia Katharina Berndt
Belcato-Fest

Vincenzo Bellinis "I Capuleti e i Montecchi", uraufgeführt 1830 am Teatro La Fenice in Venedig, erzählt die tragische Liebesgeschichte von Romeo und Julia und ist ein wahres Belcanto- Fest für das Würzburger Opernensemble, angeführt von Marzia Marzo (Romeo) und Akiho Tsujii (Giulietta). „Ich freue mich sehr auf diese Partie“, sagt Akiho Tsujii, „denn ich liebe das Belcanto-Repertoire. Gleichzeitig habe ich großen Respekt davor. Der Belcanto verlangt einen Gesangsstil, die Emotionen durch schönen Gesang und mit perfekter Technik auszudrücken. Das mit der körperlichen Aktivität auf der Bühne zu verbinden, ist eine große Herausforderung. Außerdem ist es mein persönliches Bellini-Debüt!“

Zirzensisches Weltmärchen

Entstanden in Mozarts Todesjahr 1791, stellt Die Zauberflöte einen operngeschichtlichen Kosmos eigener Art dar. „Dieses rätselhafte und zirzensische Weltmärchen zu inszenieren, ist im Grunde unmöglich“, so Regisseur Andreas Wiedermann. „Die Zauberflöte kann man nur begreifen; verstehen kann man sie nicht. In der Unmöglichkeit liegt natürlich auch der verführerische Reiz, diese Wunderkammer noch einmal ‚zum ersten Mal‘ zu erleben und die szenische Magie wiederzuentdecken.“ Andreas Wiedermann zur Seite steht erneut Bühnen- und Kostümbildnerin Aylin Kaip; zuletzt entwarf sie die zauberhafte Ausstattung zum Garten der Lüste. „Sich in Zeiten wie diesen mit einer so magischen Oper beschäftigen zu dürfen“, so Kaip, „ist ein großes Privileg. Die besondere Herausforderung besteht für mich darin, diese fantastischen und sinnlichen Welten durch Bühnen- und Kostümbild für das Publikum erlebbar zu machen.“
Bühnenbildentwurf zu Mozarts Oper "Die Zauberflöte" von Aylin Kaip
Fluch der Unsterblichkeit

Mit der vom Komponisten selbst als „moderne historische Oper“ bezeichneten und 1926 uraufgeführten "Sache Makropulos" ist erstmals seit über 30 Jahren wieder ein Bühnenwerk von Leoš Janácek am Mainfranken Theater zu erleben. Alles beginnt in einer Anwaltskanzlei, verhandelt wird ein 100 Jahre alter Erbschaftsstreit zwischen den Familien Gregor und Prus. Doch mit dem Auftritt der 337-jährigen Emilia Marty wandelt sich die Geschichte ins Fantastische. „Die Komplexität dieser Partitur“, so Enrico Calesso, „ist eine immense Herausforderung für das Ensemble und für das Orchester. Und eine noch größere Herausforderung ist es, aus der extrem dichten Partitur das permanente kammermusikalische Element herauszuarbeiten.“ Als durch die Zeiten wandelnde Emilia Marty kehrt die griechische Sopranistin Ilia Papandreou ans Mainfranken Theater zurück, wo sie zuletzt in der Spielzeit 18/19 in der Titelpartie von Strauss’ Ariadne auf Naxos auf der Bühne stand. Regisseurin der Sache Makropulos ist die 2019 mit dem renommierten Götz- Friedrich-Preis ausgezeichnete Schweizerin Nina Russi.

Uraufführung

URAUFFÜHRUNG Im Frühjahr 2022 erlebt die Oper "Karl und Anna" ihre mit Spannung erwartete Uraufführung im neuen Kleinen Haus des Mainfranken Theaters. Das Werk basiert auf der gleichnamigen Novelle des großen Würzburger Literaten Leonhard Frank von 1926 und erzählt vom Schicksal eines Kriegsheimkehrers, dessen Frau inzwischen einen anderen Mann liebt. Komponist ist der 1975 geborene Österreicher Christoph Ehrenfellner, als Librettist konnte kein Geringerer als der Erfolgsdramatiker Roland Schimmelpfennig gewonnen werden. Intendant Markus Trabusch legt mit "Karl und Anna" nach Rossinis "Der Barbier von Sevilla" und dem 2020 vom Fachmagazin Opernwelt als „Inszenierung des Jahres“ nominierten "Rigoletto" bereits seine dritte Würzburger Regiearbeit für das Musiktheater vor. Die musikalische Leitung liegt in den Händen des Ersten Kapellmeisters Gábor Hontvári.
Russische Romantik

Mit den lyrischen Szenen "Eugen Onegin" von Peter Tschaikowsky wendet sich die Opernsparte der russischen Romantik zu. Bariton Hinrich Horn, Ensemblemitglied seit 19/20, wird in dieser Produktion sein Rollendebüt in der Titelpartie geben. Ihn reizt insbesondere „Onegins seltsame Mischung aus Bildung, ja sogar Weltoffenheit und gleichzeitiger Distanz zum eigenen Gefühlsleben, die sich vor allem in den Beziehungen zu seinem Freund Lenski und zu Tatjana zeigt.“ Eine besondere Liebe empfindet Horn für Tschaikowskys Musik: „Ich hatte als jugendlicher Trompeter die Möglichkeit, seine 5. Sinfonie zu spielen. Da hat es mich gepackt. Diese klare, dennoch tief emotionale musikalische Sprache ist für mich sowohl aufwühlend als auch beruhigend.“ In den weiteren Hauptrollen sind Silke Evers (Tatjana), Roberto Ortiz (Lenski) und Igor Tsarkov (Fürst Gremin) zu erleben.

Kabarett und Krimi

Zum „guten Beschluss“ des Jahres gibt es im Dezember und Januar ein Wiedersehen mit Mischa Spolianskys Kabarettoper Rufen Sie Herrn Plim!; als Sündenbock vom Dienst alias Herr Plim ist erneut Tenor Mathew Habib zu erleben. Ferner wird die ursprünglich für März 2020 geplante Premiere von Gian Carlo Menottis Opernkrimi Das Medium endlich das Licht der Bühnenwelt erblicken. In der Paraderolle der geheimnisumwitterten Madame Flora brilliert Barbara Schöller.
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