Das andere Ich

Über die Wechselwirkung von Musik und Politik
Werke zweier Komponistenpersönlichkeiten begegnen sich beim dritten Sinfoniekonzert der Saison. Während Jean Sibelius sich relativ ungestört seiner Arbeit widmen konnte, musste Dmitri Schostakowitsch die massiven Eingriffe der sowjetischen Kulturpolitik ertragen.

Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ ist zweifellos ein kompromissloses Werk, eine Oper, die für sehr viel Aufruhr sorgte. Zwei Jahre nach der umjubelten Uraufführung wohnte Stalin einer Aufführung im Bolschoi Theater bei und war schockiert. Wie konnte ein Komponist, der mit der ersten Sinfonie so vielversprechend zu einer Weltkarriere abgehoben hatte, solch unerhörte Musik zu Papier bringen?
VERBALE HINRICHTUNG
Die Folgen jenes Entsetzens, welches das Werk beim Diktator ausgelöst hatte, war nicht nur eine Kritik in der Prawda. Jene Zeitungskritik, die einer verbalen Hinrichtung glich, zog einen Seiltanz zwischen existenzieller Überlebensangst und Anpassung nach sich. Zwar gelang ihm 1937 mit der fünften Sinfonie eine Rehabilitierung, auch erhielt er ab 1941 den ersten von mehreren Stalin-Preisen. Die Todesangst begleitete Schostakowitsch dennoch sein weiteres Leben. 1948 traf ihn der Bannstrahl der sowjetischen Kulturideologie ein zweites Mal: Die Vorwürfe von einst wurden wieder laut und schlossen nun auch Komponistenkollegen wie Sergej Prokofjew und Aram Chatschaturjan ein. Dass Schostakowitsch in seinem ersten Violinkonzert jüdische Volkslieder verarbeitete, verschärfte die Aufführungssperre seiner Werke erneut, und so blieb das Konzert bis zum Oktober 1955 unveröffentlicht. Dass die Art, wie Künstler mit einem ausgeprägten Eigenprofil in den sozialistischen Ländern Osteuropas gemaßregelt und instrumentalisiert wurden, überhaupt nennenswerte Tonschöpfungen hervorbrachte, glich einem Wunder. In der sowjetischen Presse wurde das Werk auch nach Stalins Tod weitgehend totgeschwiegen – auch eine Art Kritik und Stellungnahme.
EXPONIERTER GATTUNGSBEITRAG
Heute gehört das erste Violinkonzert zu den exponiertesten Gattungsbeiträgen und bietet dem Solisten die Möglichkeit, sein Instrument in den unterschiedlichsten Facetten zu präsentieren. Beim Sinfoniekonzert am 30. und 31. Januar 2020 musiziert Violinist Denis Goldfeld unter der musikalischen Leitung von Gábor Hontvári an der Seite des Philharmonischen Orchesters Würzburg.
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