Klappe, die Erste!

Not macht bekanntlich erfinderisch. Statt „Vorhang auf!“ heißt es dann plötzlich „Kamera ab!“ – und schwupps wird aus der Bühnenproduktion des Armen Matrosen eine echte Digitaloper.

Eigentlich hätte Der arme Matrose – eine szenisch-musikalische Reise mit Werken von Darius Milhaud, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert und Dmitri Schostakowitsch – Ende Januar Premiere in der Theaterfabrik Blaue Halle feiern sollen. Der anhaltende Lockdown machte diesem Vorhaben jedoch auch einen Strich durch die Rechnung. Doch keine Pandemie vermag den Zauber und die Kraft des Theaters zu brechen. So wurde der Tod der einen zur Geburt einer neuen Idee: Die Geschichte des Matrosen nicht auf die Bretter der Bühne bringen, sondern sie im Cinemascope-Format filmisch erzählen!

… und zwischendurch immer wieder Maske und Make-up nacharbeiten …
v.l.n.r.: Roberto Ortiz (Der Matrose), Maskenbildnerinnen Alica Keyer und Natalia Krylova
Online verfügbar vom
14. bis 16.5.
Von der Oper zum Film
Im Zentrum des ursprünglich geplanten Abends stand von Beginn an die Kurzoper Der arme Matrose von Darius Milhaud (1892–1974). Als einer der der ersten Komponisten wandte er sich damals den neuen Medien Radio und Fernsehen zu. Bereits seit Ende der 1930er Jahre erschloss er so der Musik ganz neue Ausdrucksfelder. Umso verlockender schien der Gedanke auch heute ein neues Format zu wagen. Der arme Matrose, von Milhaud selbst als Klagelied bezeichnet, basiert auf einem Text des Schriftstellers, Regisseurs und Malers Jean Cocteau und erlebte seine Uraufführung im Dezember 1927 in Paris. Cocteau war seit 1918 Wortführer der „Groupe des Six“, eines Zusammenschlusses von sechs französischen Komponisten, unter ihnen Milhaud. Ziel dieser ebenso kurzlebigen wie wirkmächtigen Gruppe zu Beginn der 1920er Jahre war die Überwindung der nach-wagnerischen Musikdramatik sowie des übersteigerten Ästhetizismus der französischen Impressionisten. „Die musikalischen Formen sind von zahlreichen und unnützen Durchführungen überladen. Es gilt auf normale Verhältnisse zurückzukommen und die Hypertrophie der bestehenden Formen zu beseitigen“, so Cocteau in seinem Manifest Hahn und Harlekin aus dem Jahr 1918.
Der Plot
Dramaturgisch und filmisch zeichnet sich der gesamte Abend durch ganz unterschiedliche, jeweils eigenständige Bedeutungs- und Bildebenen aus. Den eigentlichen Handlungsrahmen bildet dabei Milhauds Armer Matrose: Seit 15 Jahren wartet eine Frau auf die Heimkehr ihres Mannes, des Matrosen, aus der Fremde. Er kommt tatsächlich, äußerlich schwer gezeichnet, aber im Besitz einer kostbaren Perlenkette. Inkognito bittet er um ein Nachtlager und kündigt der Frau die Heimkehr ihres angeblich völlig verarmten Mannes an. In der Nacht erschlägt sie den „Fremden“ und nimmt die Kette, um mit diesem Vermögen ihren Mann zu retten.
… bevor Regisseur Tomo Sugao (zweiter von links) letzte Szenenanweisungen gibt.

Die Aufführungsdauer des Matrosen liegt gerade einmal bei einer halben Stunde. Die extreme Verdichtung des dramatischen Geschehens fordert weiterführende Fragen und Interpretationen zu den vier Protagonisten – der Matrose, dessen Frau, ihr Vater und ein Freund – geradezu heraus. So repräsentieren in der dramaturgischen Konzeption des Würzburger Abends Einschübe aus Beethovens Oper Fidelio utopische Momente des Glücks ebenso wie des Untergangs. Als (Alp-)Traumebenen eigener Art fungieren drei Schubert-Lieder, während zwei Sätze aus Dmitri Schostakowitschs 14. Symphonie als sarkastisch-ironischer Kommentar zum Thema des „großen Todes“ erscheinen.
Die Produktion
Als künstlerisches Kreativteam konnten Regisseur Tomo Sugao und Bühnen- und Kostümbildner Paul Zoller gewonnen werden, die auch für die ursprünglich geplante Bühnenfassung engagiert wurden und das Szenarium für den Film neu ausgearbeitet haben; zuletzt zeichneten beide gemeinsam für die spektakuläre Inszenierung von Wagners Götterdämmerung am Mainfranken Theater verantwortlich. Bei der Realisierung der Filmarbeiten arbeiten sie mit dem Würzburger Kameramann und Filmkünstler Steffen Boseckert (mindcore productions) zusammen. 

Anfang März fanden die Tonaufnahmen mit Solistenensemble und Philharmonischem Orchester Würzburg unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Enrico Calesso statt.

Nach Abschluss der Dreharbeiten und der nachfolgenden Postproduktion wird Der arme Matrose vom 14.-16. Mai als Video on demand Angebot kostenlos auf mainfrankentheater.de/matrose verfübar sein.
Ahoi!