Musik als Bewegungsmotor

Ein Gespräch mit Kevin O’Day im Vorfeld seiner Choreografie Es war einmal…
Mit "Es war einmal…" schafft Artist in Residence Kevin O’Day sein erstes abendfüllendes Werk für das Tanzensemble des Mainfranken Theaters. Während die Proben in den neuen Balletträumen der Compagnie in Versbach schon in vollem Gange sind, hat er sich die Zeit genommen, über den Probenprozess und sein Stück zu sprechen.

DÖRTE KORDZUMDIEKE: Was ist die Grundidee hinter "Es war einmal…"?

KEVIN O’DAY: In "Es war einmal…" dreht sich alles um den Ursprung und die Vergangenheit. Aber nicht aus einer nostalgischen Sicht, sondern als das, was die Grundlage für die Gegenwart bildet. Ich mag den Gedanken, dass jedes Repertoirestück auch einmal eine Premiere war und jede Tradition einst als Innovation begonnen hat.

DÖRTE KORDZUMDIEKE: Wie beginnt man die Arbeit an so einem Stück, das nicht auf einer Textvorlage, sondern einer abstrakten Idee beruht?

KEVIN O‘DAY: Die Idee ist, dass jeder Tänzer – so wie jeder Mensch – seine eigene Geschichte mitbringt, die sich in seinen Körper eingeschrieben hat. Mich interessiert, wie sich daraus eine Handlung entwickeln kann, die das Stück vorantreibt. Deshalb habe ich die Tänzer anfangs viel dazu aufgefordert, eigenes Bewegungsmaterial zu bestimmten Aufgaben zu schaffen, aus dem sich dann langsam gemeinsame Tanzsequenzen entwickeln. Insofern erzählen die Tänzer kein lineares Märchen, sondern wir weben etwas Neues aus all den persönlichen Geschichten, die sie bereits mitbringen.

DÖRTE KORDZUMDIEKE: Die Musik in "Es war einmal..." ist eine Auftragskomposition von John King für das Mainfranken Theater. Du setzt damit eine seit Jahrzehnten bestehende Freundschaft und künstlerische Zusammenarbeit fort. Wie funktioniert eure Kooperation?

KEVIN O‘DAY: Wir kennen uns seit vielen Jahren  und haben bereits zahlreiche Produktionen miteinander verwirklicht. Für "Es war einmal…" haben wir uns an unsere gemeinsamen Anfänge erinnert, um so das Thema des Abends auch musikalisch aufzugreifen. Die Musik und der Tanz sind an manchen Stellen ganz eng verzahnt; an anderen Stellen aber dient die Musik nur als Soundkulisse und Zeitorientierung, vor welcher der Tanz stattfindet. Insofern gibt es eine große Eigenständigkeit von Sound, Musik, Tanz und Raum. Das funktioniert nur deshalb, weil John und ich uns so gut kennen und einander voll vertrauen.

DÖRTE KORDZUMDIEKE: Wie bereits in der vergangenen Spielzeit in "TanzXperiment N°1", planst du auch in "Es war einmal…" wieder mit Zufallsoperationen zu arbeiten. Was magst du so sehr daran, ein Stück in Teilen auch dem Zufall zu überlassen?

KEVIN O‘DAY: Mir gefallen Strukturen, innerhalb derer Platz ist für Improvisationen und Spontanes. Die Tatsache, dass es dabei ganz feste Spielregeln gibt, innerhalb derer die Tänzer spontan handeln müssen, führt dazu, dass alle Darsteller ganz im Moment sind. Damit gebe ich auch die Kontrolle über mein Stück in diesen Augenblicken an die Tänzer ab und lasse mich überraschen, was passiert. Ich glaube, das Publikum spürt es sofort, wenn etwas Einmaliges unmittelbar vor seinen Augen entsteht. Für mich ist es auch eine Analogie zum Leben: Denn es ist eine Illusion, dass alles sicher ist. Das Leben ändert sich ständig.

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