Saal 600

von Kevin Barz
Team
Konzept und Regie: Kevin Barz
Bühnen- und Kostümbild: Anika Wieners
Komposition: Paul Brody
Dramaturgie: Katharina Fröhlich
Besetzung
Anouk Elias (Dolmetscherin (Französisch))
Jojo Rösler (Dolmetscherin (Britisch))
Hannes Berg (Dolmetscher (Amerikanisch))
Lea Geszti (Dolmetscherin (Russisch))
„Ich bin weder Juristin noch Historikerin, Schriftstellerin oder Journalistin, sondern nur eine Stimme.“
Wie klingt das Böse? Verrät die Stimme eines Menschen, wie grausam er ist? „Saal 600“ überführt die Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs in Text und Musik. Komponist Paul Brody hat für diesen dokumentarischen Theaterabend aus Originaltonaufnahmen die Sprachmelodie von Angeklagten wie Hermann Göring oder Albert Speer extrahiert und für ein Quartett aus Trompete, Akkordeon, Klarinette und Cello aufbereitet.

Die Inszenierung von Kevin Barz zeigt die Verhandlung über die Verbrechen des Dritten Reiches aus der Sicht von vier Simultandolmetscherinnen und -dolmetschern – die Nürnberger Prozesse gelten als die Geburtsstunde des Simultandolmetschens. Durch das gleichzeitige Übersetzen ins Russische, Englische, Französische und Deutsche versuchte man größtmögliche Gerechtigkeit vor Gericht herzustellen. Doch auch unter den Sprachmittlern waren Menschen jüdischer Abstammung. Um den Angeklagten in ihrer Sprache eine Stimme zu leihen, mussten die Dolmetscher und Dolmetscherinnen in Nürnberg nicht nur ihre sprachlichen Fähigkeiten einsetzen, sondern zum Teil auch ihre persönliche Biographie ausblenden.

Viele der internationalen Gäste der Prozesse hörten während der Verhandlungen über Kopfhörer nicht Hermann Göring, der von seinen Taten sprach, sondern einen anderen, der diese Taten für Göring in den Mund nahm und sie sich in Wortwahl, Intonation und Sprachmelodie genau aneignete. Wie ein mehrsprachiger Chor vermitteln die Schauspielerinnen und der Schauspieler in der Inszenierung zwischen den Prozessparteien und übersetzen dabei die über dem Abend schwebende Musik zurück in die ihr zugrunde liegenden Aussagen. In Zeiten, in denen eine rechte Partei mit über 90 Sitzen im Bundestag vertreten ist, wirken viele dieser menschenverachtenden Statements gefährlich aktuell.