Interview aus dem Musiktheater

„SUMME VON MOZARTS SCHAFFEN“

Fragen zur Zauberflöte an den Mozartforscher Professor Ulrich Konrad
Professor Dr. Ulrich Konrad, Inhaber des Lehrstuhls für Musikwissenschaft I am Institut für Musikforschung der Universität Würzburg, gilt als einer der international renommiertesten Kenner von Leben und Werk Wolfgang Amadé Mozarts. Für sein wissenschaftliches Wirken wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem im Jahr 2000 mit dem Leibniz-Preis sowie zuletzt im November 2021 mit dem Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst. Für die FOYER stellte er sich den Fragen von Operndirektor Berthold Warnecke.
Prof. Dr. Ulrich Konrad | Foto: Schmelz Fotodesign
DIE ZAUBERFLÖTE BEWEGT SICH SEIT IHRER URAUFFÜHRUNG IM SPANNUNGSFELD VON GRENZENLOSER BEWUNDERUNG AUF DER EINEN UND SKEPSIS ODER GAR ABLEHNUNG AUF DER ANDEREN SEITE. WO SEHEN SIE DAS WERK INNERHALB MOZARTS OEUVRE?
Unabhängig davon, dass Werke aus der Spätzeit eines Komponistenlebens immer eine eigene Aura umgibt, stellt Die Zauberflöte eine Summe von Mozarts Schaffen dar, ohne dass er eine solche beabsichtigt hätte. In dieser Partitur ist alles zu fi nden, was Mozarts musikalisches Schaffen insgesamt auszeichnet. Er selbst hat es einmal in einem anderen Zusammenhang so ausgedrückt: „Hie und da können auch Kenner allein Satisfaction erhalten – doch so – dass die Nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen warum.“ Anders gesagt: Höchste Kunstfertigkeit neben unmittelbarer Eingängigkeit, Spezialistenmusik neben Melodien für jedermann. Das alles und mehr miteinander zu verbinden, ist Mozart in der Zauberflöte gelungen wie kaum sonst noch jemandem.

WELCHE BEDEUTUNG KOMMT DER SYMBOLIK – ÄGYPTISCHE KULTUR, FREIMAURERTUM – ZU?
Mir scheint sie mehr theaterwirksames Beiwerk als Ausdruck tiefer Bedeutung zu sein, womit ich den interpretatorischen Höhenfl ügen der Mozartliteratur widerspreche. Wenn es anders wäre: Wieso entfaltet diese Oper seit über zwei Jahrhunderten eine weltumspannende Wirkung, obwohl doch das Publikum vom ganzen angeblichen äpyptischen und freimaurerischen Geheimhintergrund nichts wusste und überwiegend auch heute nichts weiß? Umgekehrt: Was gewinne ich beim Hören und Sehen, wenn mir dabei dauernd esoterische Lehren durch den Kopf gehen sollen? Wem das zu skeptisch vorkommt, dem würde ich sagen, dass wir weder von Mozart noch von Schikaneder ein einziges authentisches Wort zur Deutung ihrer gemeinschaftlichen Schöpfung kennen.
Höchste Kunstfertigkeit neben unmittelbarer Eingängigkeit, Spezialistenmusik neben Melodien für jedermann.
U. Konrad
IN DER MITTE DER GESCHICHTE KIPPT DIE HANDLUNG: DIE KÖNIGIN DER NACHT MUTIERT VON DER GUTEN ZUR BÖSEN FEE, SARASTRO VOM „UNMENSCHEN“ GEWISSERMASSEN ZUM HEILIGEN. WIE DEUTEN SIE DIESES GROSSE RÄTSEL?
Kippt die Handlung denn wirklich? Oder vollzieht sich hier nicht einfach ein Vorgang der Ent-Täuschung? Gehen wir nicht mit Tamino den Weg der Aufklärung, der uns von der Gefangenheit in falschen Informationen und unbegründeten Annahmen hin zur Einsicht in die wahren Verhältnisse führt? Wie langweilig wäre die Handlung doch, wenn Tamino und wir von Anfang an wüssten, wo jeweils Gut und Böse sind. Die „Bruchtheorie“ hat mich jedenfalls noch nie überzeugt.

DEN MUSIKLIEBHABER UND THEATERFREUND ULRICH KONRAD GEFRAGT: DIE ZAUBERFLÖTE, EIN LIEBLINGSWERK?
Mit unbestimmtem Artikel: ja, e i n Lieblingswerk.
Mozarts große Märchenoper
am Mainfranken Theater:
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