Musiktheater

Im Gespräch

Hinrich Horn über Tschaikowskis "Eugen Onegin"
Hinrich Horn | Foto: Nik Schölzel
Im Juni erlebt die mit Spannung erwartete Neuinszenierung von Tschaikowskis Eugen Onegin ihre Premiere in der Theaterfabrik Blaue Halle. Schon jetzt gibt Bariton Hinrich Horn, seit der Saison 2019/20 im Opernensemble des Mainfranken Theaters, erste Einblicke in seine Auseinandersetzung mit der herausfordernden Titelpartie der Oper.

WAS BEDEUTET DIESE PARTIE FÜR DEN SÄNGER HINRICH HORN?
Onegin ist, so wie die Partie geschrieben ist, perfekt für meine Stimme. Eigentlich befinden wir uns in der gleichen Tessitura, in derselben Lage wie Mozarts Bariton-Partien oder auch Wagners Wolfram (Tannhäuser). Ich dachte nicht, dass ich diese Rolle je singen würde, aber es wird geschehen. Ein Glück!

IM FACHJARGON WIRD EUGEN ONEGIN ALS „KAVALIERBARITON“ BEZEICHNET; ALS EINE PARTIE ALSO, DIE SOWOHL „METALL“ IN DER STIMME ALS AUCH DIE FÄHIGKEIT ZUM LYRISCHEN VERLANGT.
Die Partie ist super interessant geschrieben. Sie startet sehr tief und arbeitet sich immer mehr in die Glanzlage herauf. Man muss zunächst ein Quartett mitgestalten, indem man den Bass singt, dann folgt Smalltalk mit Tatjana. Technisch unspektakulär, aber natürlich wie alles wunderschön geschrieben. Darauf folgt eine Arie, aber erst im zweiten Akt! Überhaupt steigt Onegin spät ins Geschehen ein, um sich noch später seine Gefühle einzugestehen. Es wird, so könnte man sagen, dramatischer. Um diese verschiedenen Bedürfnisse abzubilden, braucht man eine tragfähige Stimme, die sich wie selbstverständlich in das musikalische Geschehen fügt.

DER PROTAGONIST IST EIN ZWIESPÄLTIGER CHARAKTER. PUSCHKIN BESCHREIBT IHN EINERSEITS ALS DRAUFGÄNGERISCH, ANDERERSEITS ALS SCHON FRÜH DES LEBENS ÜBERDRÜSSIG.
Als ich den Versroman zum ersten Mal las, dachte ich mir: Tja, Junge, dumm gelaufen! Ich wollte die ganze Sache nicht an mich heran lassen. Da ich aber die Musik schon kannte, war da so ein Ungemach zwischen der Lese- und Hörerfahrung, so dass ich mich fragte, was Tschaikowski dazubewegt hat, dies anders zu sehen. Stand heute kann ich sagen, Onegin wird sich als junger Mann lange neben seinem sterbenden, immer vorbildlich handelnden Onkel sitzend wohl seinen Lebensfragen gestellt haben und diese aufgrund des früheren ausschweifenden Lebenswandels anders beantwortet haben, als zu erwarten wäre.

VIELE INTERPRETEN HABEN DEM ONEGIN IHREN STEMPEL AUFGEDRÜCKT. GIBT ES KONKRETE VORBILDER?
Klar gibt es Vorbilder! Ich bin etwa gerade zu Arbeitsproben bei Sergej Leiferkus gewesen, der schon sehr genau wusste, wie die Partie gebaut ist, da er sie oft gesungen hat. So eine Hilfe ist Gold wert. Wenn jemand weiß, was der Text der Oper eigentlich bedeutet und wie das Werk konstruiert ist, kann man sich besser auf Experimente einlassen.

WIR BRINGEN DIE OPER IM RUSSISCHEN ORIGINAL HERAUS. BRAUCHT ES DAFÜR EIN SEPARATES SPRACHSTUDIUM?
Die kyrillische Schrift habe ich bei einer Studienreise vor zehn, zwölf Jahren kennengelernt. Die Neugier ließ mich zunächst von bekannten Reklameschildern später auf Programmzettel im Theater schauend erschließen, was oder wer da gemeint ist. Im vergangenen Mai habe ich dann ernsthaft begonnen, die Sprache zu lernen und könnte nun immerhin bei einem russischen Friseur um einen Haarschnitt bitten – ohne allerdings die gewünschte Länge der Dandyhaare Onegins beschreiben zu können.

IN EINEM SATZ, IN EINER FRAGE: WORUM GEHT ES IN TSCHAIKOWSKIS „LYRISCHEN SZENEN“ EUGEN ONEGIN?
Wir sehen, wie die gesellschaftlichen Konventionen einen freien Geist zwingen, sich gegen seine eigenen Gefühle zu stellen. Und vielleicht fragt man sich am Ende: Was bringt es, jemandem seine Liebe zu gestehen, wenn der andere dafür nicht bereit ist?
Premiere

Eugen Onegin

Samstag, 4.6. | 19:30 Uhr
Theaterfabrik Blaue Halle
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