Vier Jahrhunderte Operngeschichte

Auf folgende Musiktheaterproduktionen darf man sich außerdem freuen
Von Mozart über Verdi und Strauss bis hin zur Uraufführung im Kleinen Haus: Die Sparte Musiktheater
schlägt in der Spielzeit 2023/24 einen Bogen über vier Jahrhunderte Operngeschichte. Und mit Lehárs Welterfolg, der 1905 uraufgeführten Lustigen Witwe, gelangt erstmals eine Operette in der Theaterfabrik Blaue Halle zur Aufführung. In ihrer nurmehr dritten Spielzeit steht die Interimsspielstätte der Theaterfabrik Blaue Halle ganz im Zeichen der großen Oper. Mit Don Giovanni, Falstaff und Elektra stehen dabei gleich drei absolute Schwergewichte des Repertoires auf dem Programm.


IN KOMISCHEM GEWAND
Ein Mord auf offener Bühne, ein zügelloser Titelheld, entfesselte Kräfte im Orchester: Auch Wolfgang Amadé Mozart treibt in Don Giovanni (Premiere: 4. Februar 2024) die Grenzen der Musik am Ende der Aufklärungsepoche ins Extreme und Unerhörte. Nach der umjubelten Prager Uraufführung des „Bestraften Wüstling“ im Oktober 1787 stieß der Don Giovanni jedoch im Folgejahr bei der Wiener Premiere, für die Mozart einige dramaturgische und musikalische Änderungen vornahm, zunächst auf Ablehnung, während er im Lauf des 19. Jahrhunderts zur „Oper aller Opern“ (E.T.A. Hoffmann) aufstieg. Intendant Markus Trabusch wird sich in seiner ersten Würzburger Mozart Inszenierung dem Don Giovanni explizit aus der Perspektive der Wiener Fassung nähern und den „Mythos Don Giovanni“ auf seine Wirkmächtigkeit für unsere Zeit hinterfragen.
Auf Mozarts Dramma giocoso folgt als letzte Premiere in der Theaterfabrik Blaue Halle die Commedia lirica Falstaff (Premiere: 8. Juni 2024). Der alternde Ritter Sir John Falstaff ist beständig auf der Suche nach amourösen Abenteuern, um seine klammen Finanzen aufzubessern. Was als harmloses Spiel inklusive munterer Liebesirrungen und sonstiger Wirrungen beginnt, mündet in eine Gewaltorgie aller gegen Falstaff. Mit diesem Alterswerk wirft Giuseppe Verdi im Jahr 1893 den Blick zurück auf ein beispielloses Künstlerleben, um sich gleichzeitig mit seiner erst zweiten „komischen Oper“ noch einmal ganz neu zu erfinden und das Tor zum Musiktheater des 20. Jahrhunderts
aufzustoßen. Falstaff, um den bedeutenden Verdi-Forscher Uwe Schweikert zu zitieren, „ist eine Komödie auf Leben und Tod, ein böses Spiel, bei dem selbst der gute Ausgang noch zu denken gibt.“ Mit Magdalena Fuchsberger konnte eine der vielversprechendsten Musiktheater-Regisseurinnen der jüngeren Generation für die Neuinszenierung gewonnen werden. Regiearbeiten führten die Österreicherin in der vergangenen Saison unter anderem an das Theater Münster, an die Oper Graz sowie an die Wiener Staatsoper.

LIPPEN SCHWEIGEN, ‘S FLÜSTERN GEIGEN
Es geht um die Suche nach der wahren, großen Liebe, und es geht um ein millionenschweres Erbe; kurz: ein zeitlos aktueller Plot! Mit Franz Lehárs Die lustige Witwe (Premiere: 25. November 2023) steht eine der weltweit meistgespielten Operetten der sogenannten Silbernen Ära auf dem Spielplan des Mainfranken Theaters. Nachdem in der vergangenen Saison mit der Neuinszenierung von Anatevka die Eignung der Blauen Halle für das große Broadway-Musical unter Beweis gestellt wurde, erobert nun auch das Genre der Operette die Interimsspielstätte in der Dürrbachau. Für die Inszenierung zeichnet der junge deutsche Regisseur Tristan Braun verantwortlich.

URAUFFÜHRUNG
Am 6. April 2024 erlebt die Oper Karl und Anna im dritten Anlauf ihre mit Spannung erwartete Uraufführung im neuen Kleinen Haus. Das Werk basiert auf der 1926 erschienenen gleichnamigen Novelle von Leonhard Frank, der bedeutendsten literarischen Stimme Würzburgs im 20. Jahrhundert. Komponist ist der 1975 geborene Österreicher Christoph Ehrenfellner, als Librettist konnte Roland Schimmelpfennig gewonnen werden, der meistgespielte deutschsprachige Gegenwartsdramatiker. Intendant Markus Trabusch stellt mit der Uraufführung von Karl und Anna bereits seine vierte Würzburger Regiearbeit für das Musiktheater vor. Die musikalische Leitung liegt in den Händen des Ersten Kapellmeisters Gábor Hontvári.

WIEDERAUFNAHMEN
Ein Erbschaftsprozess, eine Operndiva und die Frage nach einem Leben in ewiger Jugend: Leoš Janáčeks Die Sache Makropulos, basierend auf der gleichnamigen Komödie von Karel Čapek, bringt zentrale Menschheitsfragen in einem ebenso packenden wie fantastischen Plot auf die Bühne. Im Zentrum steht jene Operndiva Emilia Marty, die in ihrer Jugend Opfer eines medizinischen Experiments am Hof Kaiser Rudolfs II. wurde und seit 300 Jahren in immer neuen Identitäten durch das Leben irrt. Die Inszenierung von Nina Russi (Regie) und Julia Katharina Berndt (Bühnen- und Kostümbild) feierte in der vergangenen Saison ihre verspätete Premiere am Mainfranken Theater, am Pult des Philharmonischen Orchesters Würzburg stand GMD Enrico Calesso, der, so das Fazit der Main-Post, „mit großem Engagement und viel Sinn für diese einzigartig sprechende Partitur den Soundtrack für eine wahrhaft unerhörte Geschichte“ lieferte. Ab dem 28. Oktober steht Die Sache Makropulos wieder auf dem Spielplan, in der Hauptrolle der Emilia Marty ist erneut die griechische Sopranistin Ilia Papandreou zu erleben.
Auf den Spielplan zurück kehrt auch Gaetano Donizettis Schaueroper Lucia di Lammermoor (ab 3. März 2024). Regisseur Matthew Ferraro, Ausstatter Pascal Seibicke und Lichtdesigner Ingo Jooß gelang, in den Worten von Elke Tober-Vogt (Main-Post), „eine von historisierenden Klischees der Schauerromantik befreite Interpretation. Lucia an Infusionsflaschen, von Marionettenfäden bewegt, dann in einem Käfig - die von Männern instrumentalisierte Frau und starke Bilder voller Symbolkraft.“ In der spektakulären Titelpartie gibt es ein Wiedersehen mit der im Dezember 2022 mit dem Würzburger Theaterpreis ausgezeichneten Sopranistin Akiho Tsujii, von Publikum und Kritik gleichermaßen umjubelt bei der Premiere im vergangenen Jahr: „Akiho Tsujii füllt die Rolle grandios“, so Michaela Schneider (Main-Echo): „Der Gesang ist nur das eine, denn vor allem fesselt Tsujii mit ihrer Rolleninterpretation. Man kann nicht anders, als mit ihr zu fühlen, zu leiden, zu verzweifeln.“

ENSEMBLE UND GÄSTE
Nachdem sich im vergangenen Winter bereits Mezzosopranistin Vero Miller als neues Ensemblemitglied vorgestellt und mit dem Sesto in Mozarts La clemenza di Tito ein herausragendes Rollen- und Hausdebüt gegeben hat, verstärken in der neuen Spielzeit die aus Mazedonien stammende und in Wien ausgebildete Sopranistin Milena Arsovska sowie der südkoreanische Bariton Leo Hyunho Kim, der sein Studium ebenfalls in Wien absolvierte, die Würzburger Opernsparte. Milena Arsovska wird in ihrer ersten Spielzeit unter anderem als Valencienne (Die lustige Witwe), Zerlina (Don Giovanni) und Nannetta (Falstaff) zu erleben sein. Leo Hyunho Kim steht in dieser Saison am Mainfranken Theater unter anderem als Danilo (Die lustige Witwe) und Fenton (Falstaff) auf der Bühne, in der Regie von Markus Trabusch gibt er zudem sein mit Spannung erwartetes Debüt in der Titelpartie von Mozarts Don Giovanni.

Beitrag von